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- EU-Bonds: Welche Chancen sie Anlegern bieten
- Zur Bekämpfung der Folgen der Covid-19-Pandemie finanziert die EU in den kommenden Jahren Hilfsprogramme („Next Generation EU“ und „SURE“) im Volumen von bis zu 850 Milliarden Euro.
- Die Mittel dazu beschafft sich die EU erstmals im großen Stil eigenständig am Anleihemarkt und steigt so zu einem der größten Schuldner der Eurozone auf.
- Das bleibt nicht ohne Folgen für den Markt der Anleihen mit höchster Bonität. Davon dürften auch Anleger profitieren.
4 Minuten Lesezeit
Es herrscht Anlagenotstand am Anleihemarkt. Wie sehr, lässt sich etwa an den Renditen börsennotierter deutscher Staatsanleihen ablesen. Mit Ausnahme der Papiere, die erst nach 2046 fällig werden, wiesen alle Ende August eine negative Verzinsung auf.[1] Wer sich also zu diesem Zeitpunkt eine entsprechende Anleihe ins Depot gelegt hat, muss eine Gebühr für die hohe Sicherheit zahlen, die Bundesanleihen bieten. Schließlich zählt Deutschland zu den wenigen Ländern weltweit, die über eine exzellente Kreditwürdigkeit verfügen und von allen drei maßgeblichen Ratingagenturen, Fitch Ratings, Moody’s und Standard & Poor’s, eine Top-Bewertung erhalten haben. Daher sind deutsche Staatsanleihen aktuell der Qualitätsmaßstab in Europa.
Der Markt für solide Staatsanleihen kommt in Bewegung
Doch in den exklusiven Club der als sehr zuverlässig eingestuften Schuldner drängt nun ein neues Mitglied: die Europäische Union (EU). Um die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie abzufedern und den Mitgliedsländern auf die Beine zu helfen, haben die 27 EU-Staaten im Juli ein umfassendes Hilfspaket geschnürt. Ziel ist es, die Wirtschaft nach dem historischen Einbruch zu unterstützen und gleichzeitig den ökologischen und digitalen Wandel voranzutreiben.
Das milliardenschwere Wiederaufbauprogramm der EU soll die ökonomischen Folgen von Covid-19 bewältigen und für eine nachhaltige und widerstandsfähige Erholung der Wirtschaft sorgen.
Dieses zeitlich befristete Aufbauinstrument trägt den Namen „Next Generation EU“ und verfügt über einen Finanzrahmen von 750 Milliarden Euro. Diese Summe können die Mitgliedsstaaten unter bestimmten Bedingungen zwischen 2021 und 2027 abrufen – knapp die Hälfte als Darlehen, den etwas größeren Teil als Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Das Besondere dabei: Die Mittel stammen nicht aus dem regulären EU-Haushalt, den die einzelnen Mitgliedsstaaten mit ihren Beiträgen finanzieren. Vielmehr wird ein Schattenhaushalt eingerichtet, für den die EU-Kommission im Namen der Europäischen Union eigenständig Schulden aufnehmen darf.[2] Für Zinsen und Tilgung müssen die EU-Mitgliedsländer in ihrem Staatshaushalt einen gewissen Betrag reservieren, der sich an der Wirtschaftskraft des Landes orientiert. Zudem können neue EU-weite Einnahmen wie etwa eine Plastiksteuer, Geld aus dem Emissionshandel oder eine Digitalsteuer herangezogen werden.
Günstige Konditionen für alle EU-Länder
Größter Posten des Pandemiefonds ist die sogenannte Aufbau- und Resilienzfazilität mit 672,5 Milliarden Euro.[3] Die Zuweisung daraus soll sich am Lebensstandard, der Größe und der Arbeitslosenquote der Mitgliedstaaten orientieren. Von der Kreditkomponente dürften vor allem süd- und osteuropäische Länder profitieren. Sie können Mittel indirekt zu den günstigen Bedingungen aufnehmen, die die EU aufgrund ihrer hohen Bonität am Markt erzielt.
Der Wiederaufbaufonds hat weitreichende Folgen, schwingt sich die EU doch zu einem bedeutenden Emittenten von Euro-Anleihen mit Top-Rating auf. Schöpfen die Länder die Mittel vollständig aus, wird das gesamte Anleihevolumen der Europäischen Union auf etwa 900 Milliarden Euro anschwellen. Darin enthalten sind auch Anleihen, die zur Bewältigung der Eurokrise 2010 und 2011 begeben wurden sowie die ebenfalls 2020 beschlossenen 100 Milliarden Arbeitsmarkthilfen aus dem Programm „SURE“ (Support to mitigate Unemployment Risks in an Emergency). In größerem Umfang am Markt vertreten sind in Europa dann nur Frankreich, Italien, Deutschland und Spanien.[4]
EU-Bonds mit günstigeren Konditionen
Der neue Großschuldner am Markt eröffnet auch Anlegern Chancen. Um ein so großes Anleihevolumen in der Kürze der Zeit reibungslos platzieren zu können, rechnen die Experten der DWS damit, dass die EU-Anleihen mit attraktiveren Konditionen als Bundesanleihen ausgestattet werden. Im Bereich der zehnjährigen Bonds könnte der Zinsaufschlag etwa 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte ausmachen. Da die EU ihre Kreditaufnahme auf Laufzeiten zwischen drei und 30 Jahren strecken wird, sollten aber auch kurzfristig und sehr langfristig orientierte Anleger in den Genuss besserer Konditionen kommen.
Die EU wird künftig hinter Frankreich, Italien, Deutschland und Spanien zum fünftgrößten Emittenten von Eurobonds.
Bei der Mittelvergabe des Fonds spielt Klimaschutz eine besondere Rolle. In diesem Zuge könnte sich die EU zum Referenzschuldner für grüne Anleihen entwickeln.
Auch dürfte der Markt für grüne Anleihen durch den Pandemiefonds Rückenwind erhalten. Immerhin 30 Prozent der Gesamtausgaben sind für klimabezogene Projekte vorgesehen.[5] Zudem müssen die Länder sicherstellen, dass die Ausgaben des Wiederaufbaufonds mit dem EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050, den Klimazielen der EU für 2030 und den Vereinbarungen des Klimagipfels von Paris im Einklang stehen. Indem die Europäische Union vermehrt auf grüne Anleihen setzt, könnte sie sich zu einer Art Referenzschuldner entwickeln und so dem Marktsegment der nachhaltigen Anleihen neue Impulse verleihen.
Wiederaufbaufonds dürfte Euro stärken
Klar ist: Auch wenn die endgültige rechtliche Ausgestaltung des Wiederaufbaufonds noch ansteht – teilweise haben das EU-Parlament und die nationalen Volksvertretungen ein Mitspracherecht – dürften sich die Gewichte am europäischen Anleihemarkt in den kommenden Jahren verschieben. Und obwohl der Fonds zeitlich begrenzt ist, sollte die Hürde gesunken sein, dass die EU bei künftigen Krisen eigenständig Anleiheprogramme auflegt. Ob damit der Weg in Richtung einer Transfer- und Schuldenunion eingeschlagen ist, bleibt offen. Doch das Votum des Marktes ist deutlich: Der Euro jedenfalls, ein Indikator für das Vertrauen der Anleger in die Eurozone, gewann seit den EU-Beschlüssen zum Wiederaufbaufonds deutlich an Wert.