- Der Handelskonflikt zwischen den USA und China scheint sich weiter hochzuschaukeln.
- Der befürchtete Einbruch an den Märkten ist bislang ausgeblieben.
- Doch solange die Unsicherheit fortdauert, scheint das Aufwärtspotenzial begrenzt zu sein.
Der schwelende Handelskonflikt zwischen den USA und China lastet weiter auf den Märkten. Seit nunmehr gut einem Jahr pendeln Delegationen der beiden Supermächte zwischen Washington und Peking hin und her und versuchen, eine Einigung zu erzielen – bislang vergeblich. Stattdessen schaukelt sich der Konflikt immer weiter hoch.
Die Deutungen darüber, was das alles für die Märkte bedeutet, schwanken fast täglich: Mal scheint alles halb so schlimm zu sein, weil die Streithähne sich schon früher oder später einigen werden. Säbelrasseln gehört nun mal für einen erklärten Dealmaker wie US-Präsident Donald Trump zum ganz normalen Handwerk.
Dann wieder ist die Angst groß: Der US-Präsident scheint doch ernst zu machen, China reagiert entsprechend mit Gegenzöllen und die Fronten verhärten sich zusehends. Wie nur wollen die Antagonisten aus diesem Schlammassel jemals wieder herauskommen? Alles scheint möglich.
Unsicherheit fördert starke Kursschwankungen
Immerhin eines scheint klar zu sein: Unabhängig von den tatsächlichen ökonomischen Auswirkungen hassen Investoren nichts so sehr wie die Unsicherheit. Phasen wie diese, in denen nicht erkennbar ist, in welche Richtung das Barometer letztendlich ausschlagen wird, sind oft mit starken Kursschwankungen verbunden.
Wie ernst ist die Lage?
Umso mehr ist ein nüchterner Blick gefragt: Wie ernst ist die Lage wirklich? Die USA erheben bereits Strafzölle von bis zu 25 Prozent auf diverse Waren aus China im Handelswert von über 250 Milliarden Dollar. Chinas Vergeltungsmaßnahmen betreffen bisher US-Waren im Wert von über 110 Milliarden Dollar.
Das Ende der Eskalationsspirale scheint damit aber noch lange nicht erreicht zu sein. Denn schon jetzt drohen die USA China mit Zöllen auf weitere Importe im Wert von 325 Milliarden Dollar. Zudem könnten neben dem Netzwerkausrüster Huawei weitere chinesische Unternehmen vom US-Markt ausgeschlossen werden.
Auch China ist nicht machtlos. Das Land könnte auf die Zollschranken der USA mit einer Abwertung des Renminbis reagieren und den Konflikt damit zu einem Währungskrieg auszuweiten. „China werde Geld in sein System pumpen und wahrscheinlich die Zinsen senken“, twitterte US-Präsident Donald Trump bereits, und forderte die US-Notenbank Fed auf, mit gleicher Münze zurückzuzahlen und ihrerseits kräftig auf die Zinsbremse zu treten.[1]
USA im Eskalationsmodus
Bis jetzt haben die USA Strafzölle von 25 Prozent auf Waren im Wert von 250 Milliarden Dollar verhängt. Weitere 325 Milliarden Dollar Warenwert könnten bald hinzukommen.
China wird immer stärker
Gerade mal 2 Prozent betrug der Anteil Chinas am weltweiten Wirtschaftsaufkommen 1980, heute liegt er bei deutlich über 18 Prozent.
Handelshemmnisse wirken weltweit
In einem Punkt sind sich die meisten Beobachter einig: Zollschranken sind Gift für den Handel und würden die Geschäfte vieler Unternehmen empfindlich stören. Und das nicht nur in den betroffenen Ländern. Die Weltwirtschaft ist derart eng verwoben, dass die Folgen überall spürbar sein dürften: Asiatische Zulieferbetriebe könnten ebenso betroffen sein wie europäische Märkte, auf die ein Teil der in den USA künstlich verteuerten Produkte umgeleitet würden.
Eine Folge des Konflikts: Der amerikanische S&P 500 hat sich im Mai wieder ein Stück weit von seinem Ende April erreichten Höchststand entfernt. Noch deutlicher fielen die Verluste am chinesischen Aktienmarkt aus.
Doch es gibt auch Lichtblicke: So hat Trump die Entscheidung über Zölle auf europäische Importautos auf Mitte November 2019 verschoben, was insbesondere der deutschen Fahrzeugindustrie etwas Luft verschaffen dürfte. Gleichzeitig treibt Trump die Ratifizierung des Handelsabkommens USMCA mit Mexiko und Kanada voran.
Finger weg von China?
Auch China – in den vergangenen Jahren zur Wirtschaftsweltmacht Nummer 2 aufgestiegen – ist längst nicht mehr so anfällig wie noch vor Jahren. Gerade mal 2 Prozent betrug der Anteil Chinas am Wirtschaftsaufkommen 1980, liegt er heute bei deutlich über 18 Prozent[2]. Viele chinesische Unternehmen erwirtschaften mittlerweile einen Großteil ihres Umsatzes auf dem Heimatmarkt. Die Binnennachfrage in dem Riesenreich mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern hat zuletzt stark angezogen. Nicht zuletzt, weil viele Chinesen mittlerweile zu Wohlstand gekommen sind. Die Abhängigkeit Chinas vom Exportgeschäft, in früheren Phasen die Achillesferse des Landes, hat daher stark abgenommen. Das bedeutet nicht, dass ein Handelskrieg keine Auswirkungen hätte. Doch anders als früher wäre er wohl keine Katastrophe mehr für die Wirtschaft des Riesenreichs.
Hinzu kommt, dass die chinesische Staatsregierung wohl nicht untätig zusehen wird, wie ihr wichtigstes Ziel, nämlich Wirtschaftswachstum, unter die Räder kommt. Stattdessen dürfte sie versuchen, mit Gegenmaßnahmen wie Zinssenkungen, weiteren Investitionen in Infrastrukturprojekte oder einer weiteren Liberalisierung der Märkte für neuen Schub zu sorgen.
Auch die USA verlieren
Ein Blick in die Handelsstatistik zwischen den USA und China zeigt zudem, dass das Kalkül des US-Präsidenten zumindest bislang nicht aufgegangen ist: Anstatt das Handelsdefizit mit China zu verringern, ist es in den vergangenen Monaten sogar gestiegen. Im April gingen die chinesischen Exporte in die USA zwar um 13 Prozent zurück. In umgekehrter Richtung aber war der Rückgang ungleich größer: Der Import aus den USA sank um 25,7 Prozent[3].
Wenn die Daten also eines zeigen, dann dieses: Die USA und China brauchen einander. Es gibt ein großes beiderseitiges Interesse, früher oder später zum Tagesgeschäft zurückzukehren.
Druck der Finanzmärkte könnte zu Annäherung führen
Die DWS hält es daher für wahrscheinlich, dass die Parteien früher oder später aufeinander zugehen werden. Der Druck der Finanzmärkte dürfte dazu ebenso beitragen wie die zunehmende Unzufriedenheit breiter Teile der US-Wirtschaft, die die Folgen der neuen Zollschranken zunehmend im eigenen Portemonnaie spürt.
US-Präsident Trump hat bereits ankündigt, Chinas Präsidenten Xi auf dem G20-Gipfel Ende Juni zu treffen. Viele Akteure an den Finanzmärkten rechnen damit, dass diese Gespräche der Auftakt zu einer Einigung sein könnten. Zumal immer klarer wird, dass eine weitere Eskalation am Ende beiden Seiten mehr schaden als nutzen dürfte.
Nüchtern betrachtet spricht also vieles für einen glimpflichen Ausgang der Handelsstreitereien. Doch Trump wäre nicht Trump, wenn er nicht auch für eine negative Überraschung gut wäre, die an den Kapitalmärkten zu Verwerfungen führen könnte. Wachsamkeit bleibt somit für Anleger das Gebot der Stunde.
Chance auf Annäherung
Beim G20-Gipfel am 28. und 29 Juni in Osaka treffen die Präsidenten Trump und Xi das nächste Mal persönlich aufeinander.