- Um die Energieeffizienz von Büroimmobilien zu steigern, müssen viele Stellschrauben gleichzeitig verändert werden. Entscheidend sind die individuellen Gegebenheiten eines Gebäudes.
- Wie andere Immobilienbesitzer steht die DWS aktuell vor der Herausforderung, bei der energetischen Sanierung mit der Knappheit an Material und Handwerker zurechtzukommen. „Unser Einsparziel ist aber nicht in Gefahr“, bekräftigt Schneider.
- Von hohen ökologischen Standards können auch Anleger profitieren, weil sich nachhaltige Gebäude besser vermieten lassen und am Markt höhere Preise erzielen.
Vor drei Jahren hat die DWS angekündigt, den Kohlendioxid-Ausstoß des europäischen Büroimmobilien-Portfolios bis 2030 zu halbieren. Wie weit sind Sie auf diesem Weg bereits vorangekommen?
Wir haben verschiedene Projekte initiiert und sind auf einem guten Weg, unser Ziel zu erreichen. Per Ende 2021 konnten wir den CO2-Ausstoß nach vorläufigen Zahlen bereits um etwa 28 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2017 verringern. Darüber hinaus haben wir auch energieeffiziente Gebäude hinzugekauft und ineffiziente Gebäude verkauft, was sich positiv auf den CO2-Ausstoß pro Quadratmeter auswirkt.
Ein generelles Patentrezept dafür, die Energieeffizienz im Bestand zu verbessern, gibt es nicht. Aber wir können an verschiedenen Stellschrauben drehen. Zudem treten die Fortschritte nicht linear zu Tage, sondern treppenförmig. Das liegt daran, dass Projekte eine gewisse Vorlaufzeit benötigen bis sie ihr ganzes Einsparpotenzial entfalten. Vergangenes Jahr beispielsweise haben wir das Projekt „Active Energy Management“ für 43 Immobilien in unserem Bestand ausgerufen, bei dem wir mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz die Gebäudeleitsysteme analysieren und so Ineffizienzen aufspüren. Etwa eine Klimaanlage, die am Wochenende läuft, obwohl das Gebäude nicht genutzt wird. Die Gebäudeleitsysteme werden dann entsprechend programmiert, um den Energieverbrauch zu senken. Die Effekte dieser Maßnahmen werden wir in diesem Jahr erstmals sehen. Gleiches gilt für den Einkauf erneuerbarer Energien in 2020, wo nun seit 2021 nach und nach die ersten Verträge beginnen.
Wie messen Sie den CO2-Ausstoß Ihres Immobilienbestands?
Ausschlaggebend ist der Verbrauch fossiler Energien pro Quadratmeter. Wir sammeln dazu den Strom-, Gas- oder Ölverbrauch, wo wir ihn selbst messen können oder von den Mietern Daten erhalten, und rechnen das in den CO2-Ausstoß pro Quadratmeter um. Entscheidend ist dabei, dass wir immer konkrete Zahlen verwenden und keine Schätzungen.
Hat Corona nicht sowieso dazu geführt, dass Büroimmobilien insbesondere während Lock-Down-Perioden weniger bis gar nicht genutzt wurden und deshalb der CO2-Ausstoß automatisch sank?
Die geringere Büronutzung war natürlich ein Faktor, wenn man bedenkt, wie stark der CO2-Ausstoß im ersten Corona-Jahr gesunken ist. Lagen die Einsparungen – immer im Vergleich zum Referenzjahr 2017 – Ende 2019 noch bei 16 Prozent, waren es Ende 2020 bereits 26 Prozent, was einen enormen Sprung bedeutet. Zunächst hatte ich Zweifel, inwieweit das auch längerfristig Bestand haben würde. Nachdem wir Ende 2021 aber noch einmal voraussichtlich zwei Prozentpunkte mehr Einsparungen erreicht haben, also ein Minus von 28 Prozent gegenüber 2017, sind diese Bedenken zerstreut. Corona hat einen Impuls für mehr CO2-Einsparungen geliefert, und weil wir parallel dazu unsere Anstrengungen zur Verringerung der CO2-Emissionen vorangetrieben und strategische Zu- und Verkäufe umgesetzt haben, haben wir einen großen Schritt nach vorne gemacht. Natürlich müssen wir uns fragen, ob der Energieverbrauch generell gesunken ist, weil viele Beschäftigte inzwischen regelmäßig zuhause arbeiten, so dass eine Treppenstufe der Einsparungen sozusagen von den Mietern selbst kommt.
Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um den Verbrauch fossiler Energien Ihrer Bestandsimmobilien zu senken?
Neben dem Bezug von grüner Energie und dem Active Energy Management, also der Optimierung des laufenden Betriebs, prüfen wir, wo wir Solaranlagen als Teil der Stromversorgung installieren können. Darüber hinaus haben wir das Rahmenwerk „Green Lease“, also grünes Mieterverhältnis, auf den Weg gebracht. Es umfasst zehn Kriterien, um gemeinsam mit den Mietern den Energieverbrauch zu senken. Hier geht es u.a. darum, anhand der Verbrauchsdaten, die uns die Mieter zur Verfügung stellen, Ineffizienzen im Gebäudebetrieb aufzuspüren oder z.B. zusammen mit den Mietern bestimmte Betriebszeiten festzulegen oder eine Beteiligung an Sanierungsmaßnahmen zu erreichen. Ganz wesentlich ist die exakte Verbrauchsdatenerfassung. 2022 haben wir deshalb in unserem Team als das Jahr der Daten ausgerufen, um in allen Immobilien möglichst lückenlos den Energieverbrauch zu erfassen. Die Daten sind deshalb so wichtig, um passgenau für die jeweilige Situation vor Ort die effizientesten Maßnahmen ergreifen zu können.
Die Coronapandemie hat uns sicherlich geholfen. Parallel dazu haben wir aber unsere Anstrengungen zur Verringerung der CO2-Emissionen vorangetrieben.
Für das Einsparziel bis 2030 haben Sie mehrere Komponenten definiert: Active Energy Management, Einsatz erneuerbarer Energien sowie Investitionen in den Erwerb von energieeffizienten Immobilien oder die Nachrüstung älterer, weniger effizienter Objekte. Welche Komponente entfaltet bislang die stärkste Wirkung?
Im Bestand messen wir den Energieverbrauch bzw. den CO2-Ausstoß pro Quadratmeter. Auf welche Maßnahme eine Einsparung konkret zurückzuführen ist, lässt sich gewöhnlich jedoch schwer sagen, da meist mehrere Maßnahmen gleichzeitig laufen. Eine Ausnahme bilden hier z.B. die Umrüstung des Wärmesystems, wenn man die Heizung etwa von Gas auf Wärmepumpe umstellt. In dem Fall können wir die Einsparung konkret beziffern. Den stärksten unmittelbaren Effekt erzielten wir bisher aber, wenn wir ein ineffizientes Gebäude verkauft oder energetisch saniert haben, in Kombination mit dem Zukauf von energieeffizienten Gebäuden.
Wie wirkt sich die aktuelle Energiekrise auf Ihr Einsparvorhaben aus?
Wie andere Immobilienbesitzer stehen auch wir aktuell vor der Herausforderung, dass Materialien und Handwerker knapp sind und gleichzeitig viele Gebäude energieeffizient gestalten werden sollen. Bei größeren Sanierungen arbeiten wir in der Regel mit Generalunternehmen zusammen, die derzeit aber vorsichtig sind, einen genauen Zeit- und Kostenrahmen vorzugeben. Unser Einsparziel sehe ich deshalb jedoch nicht gefährdet. Beim Erwerb neuer Immobilien geht die DWS sehr konservativ vor. Wir überlegen uns vorher genau, welche Modernisierungen nötig sind, welcher Generalunternehmer uns zur Verfügung steht und welche Kosten- bzw. Zeitpuffer wir einplanen müssen. Damit vermeiden wir, unter Druck zu geraten. Bevor wir keinen verlässlichen Partner finden, nehmen wir lieber von einem Kauf Abstand.
Einer einzelnen Maßnahme lässt sich in der Regel nur schwer eine bestimmte CO2-Einsparung zuordnen, da diese alle ineinandergreifen. Was wir messen, ist die Veränderung des CO2-Ausstoßes pro Quadratmeter.
Wie stark wiegen die Kriterien Energieeffizienz und kleiner CO2-Fußabdruck bei der Ankaufsentscheidung?
Die Europäische Union hat vorgegeben, dass der gesamte europäische Gebäudebestand bis 2050 klimaneutral werden soll. Beim Neuerwerb nutzen wir die Möglichkeiten, im Rahmen einer detaillierten ESG Due Diligence mögliche ESG-Risiken[1] zu bewerten und somit zu analysieren, ob ein Objekt bezüglich des gesamten Rendite-Risiko-Profils den Erwartungen entspricht. Zudem prüfen wir anhand des europäischen Carbon Risk Real Estate Monitors (CRREM), ob und wann ein Wertverfall des Gebäudes infolge strengerer Umweltauflagen droht, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird. Auf dieser Basis und anhand der kalkulierten Kosten für eine Sanierung entscheiden wir, ob ein Objekt zum Erwerb in Frage kommt oder nicht.
In Europa anerkannte Zertifizierungen helfen uns, mögliche ESG-Risiken zu erkennen und zu analysieren, ob ein Objekt dem Rendite-Risiko-Profil entspricht.
Was sind beim Blick in die Zukunft die nächsten Schritte bei der CO2-Reduktion im europäischen Büroimmobilien-Portfolio? Wo sehen Sie in den kommenden Jahren die größten Herausforderungen und Chancen bei der Zielerreichung?
Eine der größten Herausforderungen ist die Zusammenarbeit mit den Mietern. Wir sind nicht nur darauf angewiesen, dass sie ihre Verbrauchsdaten mit uns teilen, sondern dass sie auch offen für neue Lösungen und Kooperationen sind. Wenn ein Mieter einen Versorger mit erneuerbarer Energie ablehnt, können wir das nicht ändern. Zudem gilt es auszuloten, inwieweit sie bereit sind, sich an den Kosten einer energetischen Sanierung zu beteiligen, z.B. über einen finanziellen Beitrag oder eine höhere Miete. Mit einem größeren finanziellen Spielraum eröffnen sich uns dann ganz andere Möglichkeiten.
Beim Blick in die Zukunft bin ich sicher, dass die Themen Sensorik und digitales Immobilienmanagement an Bedeutung gewinnen werden. Wenn ich beispielsweise messen kann, wie hoch die Belegung zu einem bestimmten Zeitpunkt ist, kann ich die Klimaanlage effizienter steuern. Zudem arbeiten wir am „S“ in ESG, indem wir das Thema Wohlbefinden und Gesundheit der Mieter noch stärker berücksichtigen. Beispielsweise haben wir seit Corona in vielen Aufzügen Luftfilter installiert, um die Ansteckungsgefahr zu verringern und installieren aktuell Luftqualitätsmonitore in den ersten Gebäuden.
Was habe ich als Anleger davon, wenn ich in ein Immobilienportfolio investiere, das möglichst wenig CO2 ausstößt?
Ein hoher ESG-Standard ist nicht nur gut fürs Gewissen, er wirkt sich in der Regel auch positiv auf die Rendite aus. Wir haben den Anspruch, unsere Objekte auf dem neuesten Stand der Technik zu halten, um sie für Mieter attraktiv zu gestalten und damit die Werthaltigkeit für die Anleger zu erhöhen. Die Energiekrise hat vor Augen geführt, wie stark die Betriebskosten – die „zweite Miete“ – in die Höhe schnellen können. Wenn ein Objekt nur über geringe ESG-Standards verfügt, darf man sich über Leerstände oder niedrige Mieten nicht wundern. Im Extremfall kann man so ein Gebäude am Markt gar nicht mehr veräußern.
Zur Person
Benita Schneider arbeitet seit 2017 für die DWS und verantwortete zunächst das Fondsmanagement der global investierten Immobilien-Spezialfonds. Ihre jetzige Position als Head of Real Estate Asset Management Europe übernahm sie im März 2020. Ihr Team setzt sich aus 63 Spezialisten aus sechs Ländern zusammen.