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- Für immer zweiter Sieger? Was US-Aktien europäischen Werten voraus haben
- US-Aktien laufen den europäischen Werten seit Jahren den Rang ab und markieren immer wieder neue Höchststände.
- Wesentliche Unterschiede diesseits und jenseits des Atlantiks sind die Geschäftsausrichtung der Unternehmen, die Gewinnentwicklung und die Branchengewichtung in den Aktienindizes.
- Damit sich an der US-Dominanz etwas ändert, müsste in Europa einiges geschehen.
5 Minuten Lesezeit
Die US-Börse lässt sich einfach nicht aus dem Tritt bringen. Der schwelende Handelsstreit mit China und Europa, der drohende Brexit oder die Anzeichen eines globalen Wirtschaftsabschwungs: kein geopolitisches Risiko konnte den Aufwärtstrend amerikanischer Aktien bisher merklich bremsen. Stattdessen hat der marktbreite amerikanische Börsenindex S&P 500 zuletzt sogar einen neuen Höchststand markiert. Ganz anders sieht das Bild in Europa aus: Dort ist zum Beispiel der Index Euro Stoxx 50 mit den Aktien der größten Unternehmen aus der Eurozone ein gutes Stück entfernt von seinem Allzeithoch – das er 2015 erreicht hatte.
Mit US-Aktien war deutlich mehr zu gewinnen
Weit ins Hintertreffen sind Anleger mit europäischen Aktien geraten, wenn sie ein ganzes Jahrzehnt zurückblicken. Damals hatten die Börsen nach den heftigen Kurseinbrüchen während der Finanzkrise und dem folgenden Wirtschaftseinbruch um das Jahr 2008 wieder Tritt gefasst. Doch Nordamerika und Europa gingen fortan getrennte Wege. Seither hat sich etwa der Euro Stoxx 50 Total Return Index, der auch Dividendenzahlungen der in ihm enthaltenen Firmen berücksichtigt, im Wert nur verdoppelt. Sein amerikanisches Gegenstück, der S&P 500 Total Return Index, konnte hingegen um mehr als 300 Prozent zulegen.
Langfristige Wertentwicklungen
Index |
08/14 – 08/15 |
08/15 – 08/16 |
08/16 – /08/17 |
08/17 – 08/18 |
08/18 – 08/19 |
Euro Stoxx 50 Total Return Index in Euro |
6,6 % |
-3,9 % |
17,1 % |
2,7 % |
4,7 % |
S&P 500 Total Return Index |
0,5 % |
12,6 % |
16,2 % |
19,7 % |
2,9 % |
Wie erklärt sich dieser große Unterschied – und wird sich die Lücke bald wieder schließen? Einen Grund für die transatlantische Schere sieht Thomas Bucher, Aktienstratege der DWS, im deutlich stärkeren Gewinnwachstum der US-Unternehmen in den vergangenen Jahren. „Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sich US-Firmen nach der Krise früher auf den ‚Shareholder Value‘ konzentriert haben – eine Strategie, die dem Mehrwert für den Aktionär oberste Priorität einräumt, etwa durch rigidere Kosteneinsparungen“, sagt der Experte.
Das Auseinanderdriften der Firmenerträge in den USA und Europa habe sich durch die „Krise nach der Krise“ noch verschärft: „Kaum war das globale Finanzmarktbeben einigermaßen bewältigt, gerieten hochverschuldete Länder in der Eurozone in Schieflage,“ ruft Thomas Bucher in Erinnerung. Der Euro stand zeitweise auf der Kippe. Das habe den Konsum von Haushalten und Unternehmen aber auch die Investitionsnachfrage gebremst. Und darunter litten vor allem die Gewinne europäischer Firmen, die innerhalb der Eurozone exportieren.
Weltmarktführer „Made in USA" treiben die Börse
Aber auch der Branchenmix dürfte dem US-Markt geholfen haben, seinen Vorsprung auszubauen. Im S&P 500 sind Dienstleistungsfirmen und Unternehmen mit digitalen Geschäftsplattformen deutlich stärker vertreten als im Euro Stoxx 50. Viele dieser innovativen Unternehmen haben sich zu unangefochtenen Weltmarktführern aufgeschwungen und einen entsprechend rasanten Kurszuwachs erlebt. So finden sich im S&P 500 unter den Top 10[1] die digitalen Weltmarken Microsoft, Apple, Amazon, Facebook und Alphabet, der Mutterkonzern von Google, deren Kurse sich seit der Krise vervielfacht haben.
Im Euro Stoxx 50 hingegen kommen die Schwergewichte wie Total, Linde, Sanofi oder Unilever aus den eher traditionellen Branchen Energie, Chemie, Pharma und Konsumgüter. Sie wachsen im Vergleich nur verhalten. Mit SAP und der niederländischen ASML (weltweit größter Anbieter von Lithographiesystemen für die Halbleiterindustrie) schaffen es derzeit nur zwei Konzerne aus den Technologiesektoren Software und Halbleiter unter die größten zehn[2] Unternehmen im Euro Stoxx 50. „Die im Vergleich geringe Präsenz der Hightech-Branche ist ein weiterer Grund, der europäische Aktienindizes zurückhält“, argumentiert DWS-Experte Thomas Bucher.
Exemplarisch für die Probleme Europas steht derzeit der Automobilsektor. Hier haben die Europäer den Wandel zu neuen Mobilitätskonzepten wie Elektroantrieb und autonomes Fahren lange vernachlässigt. Nun müssen sie zusehen, wie die Konkurrenz aus den USA und Asien in ihre Märkte drängt und die erfolgsverwöhnten heimischen Marken in Bedrängnis bringt. Die Folge: Europas Automobilaktien – sie sind Schwergewichte etwa im deutschen Leitaktienindex Dax – lasten mit ihrer Kursschwäche derzeit mächtig auf den Börsen.
Europäische Banken haben das Nachsehen
Auch der Finanzsektor, der im Euro Stoxx 50 mit rund 16 Prozent[3] vergleichsweise hoch gewichtet ist, scheint die allgemeine Kursentwicklung merklich zu bremsen. In den USA haben die Banken ihre Altlasten aus der Finanzkrise rasch ablegen können. Sie sind inzwischen wieder zu profitabler Hochform aufgelaufen. Dagegen hadern viele Institute in Europa noch immer mit enormem Abschreibungsbedarf und strategischen Orientierungsschwierigkeiten. „Auch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank belastet die Finanzunternehmen, während bei Wettbewerbern in den USA, wo das Zinsniveau höher ist, der Zinsüberschuss wieder eine wichtige Ertragsquelle ist“, sagt Thomas Bucher.
Die Top-10-Unternehmen im S&P 500 nach ihrem Indexgewicht
Unternehmen |
Symbol |
|
Microsoft Corp |
MSFT |
Informationstechnologie |
Apple Inc. |
AAPL |
Informationstechnologie |
Amazon.com Inc. |
AMZN |
Konsumgüter |
Facebook Inc A |
FB |
Kommunikationsservice |
Berkshire Hathaway B |
BRK.B |
Finanzen |
Alphabet Inc C |
GOOG |
Kommunikationsservice |
Alphabet Inc A |
GOOGL |
Kommunikationsservice |
JP Morgan Chase & Co |
JPM |
Finanzen |
Johnson & Johnson |
JNJ |
Gesundheitswirtschaft |
Visa Inc A |
V |
Informationstechnologie |
Nach traditionellen Bewertungsmaßstäben wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis oder das Kurs- Buchwert-Verhältnis (Börsenkurs je Aktie dividiert durch Buchwert je Aktie) werden europäische Aktien mit einem klaren Abschlag zu US-Aktien gehandelt. Allerdings locken einen diese Kennziffern auf die falsche Fährte und hätten schon lange für ein Übergewichten von Europa vs. US plädiert.
Wird für die Marktbewertung dagegen der Free-Cash-Flow (FCF) herangezogen, also die liquiden Mittel, die die Index-Unternehmen aus der Geschäftstätigkeit generieren ergibt sich ein anderes Bild. Für diese Betrachtung spricht, dass nur diese Mittel letztendlich übrig bleiben für die Dividendenzahlungen, Aktienrückkäufe sowie Schuldentilgungen. Außerdem berücksichtigt die Kennzahl auch noch die Unternehmensverschuldung.
Gemessen am FCF-yield (Free Cash Flow geteilt durch Marktkapitalisierung & Nettofinanzverbindlichkeiten) bedeutet eine niedrige Zahl eine tendenziell höhere Bewertung des Aktienmarktes. Wie der Chart zeigt, handeln Europa und die USA derzeit auf exakt dem gleichen Niveau: 4,4% und haben sich seit 2014 Jahren ungefähr auf diesem Niveau bewegt.
Bessere Performance von US-Aktien erklärbar und gerechtfertigt
Aktienexperte Bucher interpretiert das so:
- Erstens, die US und EU Aktienmärkte sind vielleicht gar nicht so viel teurer geworden, wie mancher sich das vorstellt.
- Die starke Wertentwicklung von US-Aktien in der Vergangenheit ist komplett erklärbar mit der deutlich besseren Generierung an liquiden Mitteln – wie oben schon angesprochen – der Schaffung von Shareholder Value.
Aktien bleiben grundsätzlich attraktiv
Was bedeutet das für den Ausblick? Die DWS hält Aktien, gerade im Niedrigzinsumfeld, unverändert für eine attraktive Anlageklasse. Dabei geht sie davon aus, dass eine Rezession vermieden werden kann und sowohl Gewinne und Free-Cash-Flows im niedrigen einstelligen Prozentbereich wachsen.
Damit Europas Aktien aufholen, müsste einiges passieren
Damit europäische Aktien besser laufen als amerikanische muss sich etwas ganz Grundsätzlich ändern: sie müssen profitabler werden, analysiert Bucher. Europäische Aktien müssen einfach deutlich besser werden, aus einem Euro Umsatz liquide Mittel für Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufe zu generieren. Viele Gelder werden immer wieder für Umstrukturierungen, überteuerte Investitionen und außerordentliche Ausgaben verwendet. Solange die Europäische Konjunktur so langsam wächst wie derzeit, dürfte ein deutlich bessere Entwicklung von europäischen Aktien im Vergleich zu US-Aktienunwahrscheinlich sein.
Fazit für Anleger:
In diesem Umfeld müssen sie sich sowohl in Europa als auch in den USA wahrscheinlich mit niedrigen, einstelligen Aktienrenditen abfinden.