03. Sep 2020 Aktien

Auf nach 2030: Aktien und Infrastruktur in den Favoritenrollen

Die Coronakrise hat die Gewichte bei den Renditeaussichten einzelner Vermögensklassen für die nächste Dekade weiter verschoben. Vor allem Aktien und alternative Anlagen dürften Privatanlegern vergleichsweise gute Ertragschancen bieten.

  • Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Unternehmen ähneln denen der Finanzkrise 2008/09 – entsprechend dürfte die langfristige Erholung ähnlich verlaufen, schätzt das DWS Research Institute.
  • Wesentliche Ertragstreiber von Aktien dürften bis 2030 Dividendenausschüttungen und Gewinnwachstum sein.
  • Anlagen in Infrastruktur und börsennotierte Unternehmen, die ihr Kapital hauptsächlich in Immobilien veranlagen, dürften sich langfristig ebenfalls als Investments lohnen.
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Das Coronavirus löst viele Symptome aus. Fieber und trockener Husten gehören dazu. Im übertragenen Sinn führt der Erreger Sars-CoV-2 aber auch zu erzwungener Kurzsichtigkeit.

Es ist schlicht kaum absehbar, wie schnell und kräftig sich die Wirtschaft von der Virus-Rezession erholen wird. Wie rasch werden die zig Milliarden an Steuer- und Zentralbankgeldern, die als Corona-Hilfe mobilisiert wurden, die Konjunktur wieder auf die gewohnte Spur bringen? Wird es eine zweite Infektionswelle mit Lockdown geben? Und wann kommt ein wirksamer Impfstoff? Viele Fragen über die nähere Zukunft können derzeit seriös nicht beantwortet werden.

Erst der Schock, dann aber eine überraschend klare Erholung

Im Rahmen ihrer Langzeitanlagestudie „DWS Long View“ hat die DWS im Juni dennoch die Renditen wichtiger Vermögensklassen bis 2030 erneut abgeschätzt. Das wichtigste Zwischenfazit lautet: „Die Dividendenkürzungen, die Verschlechterung der Bonität von Unternehmen und der Schock für den Staatsanleihenmarkt fielen zu Beginn der Coronakrise zwar extremer aus als während der Finanzkrise 2008/09. Die fundamentale Lage der meisten Unternehmen ist gleichwohl gut mit dem Nachgang der damaligen Finanzkrise vergleichbar“, schreiben die Experten des DWS Research Institutes.

Die Coronakrise ähnelt aus Unternehmenssicht am ehesten der Finanzkrise von 2008/09.

So schlimm wie es in den ersten Wochen des Lockdowns aussah, scheint es also doch nicht zu kommen. „Im dritten Quartal dürften die meisten entwickelten Volkswirtschaften wieder auf Wachstumskurs liegen“, erwartet das DWS-Team. Und viele Firmen profitieren von den deutlich schneller als 2008/09 angelaufenen Hilfsmaßnahmen der Politik, die auch im Ausmaß alle Größenordnungen sprengen. „In noch nie dagewesenem Umfang haben Regierungen verhindert, dass aus der Corona-Rezession eine Depression wird. So konnten Unternehmen Liquidität und Arbeitsplätze sichern. Als die Räder wieder anliefen, stützten die Staaten die Firmen mit Konjunkturpaketen, die vielerorts bis zu 40 Prozent der nationalen Wertschöpfung ausmachten“, heißt es im Bericht. Und mit neuen Anleihekäufen in Multimilliardenhöhe kamen auch die Notenbanken der Wirtschaft rasch und großzügig zur Hilfe. „Die Bilanz der Europäischen Zentralbank wird sich dadurch noch einmal um 1.350 Milliarden Euro ausweiten. Und auch das US-Pendant Fed wird Ende 2020 eine doppelt so große Bilanz haben wie im Januar“, schätzt die DWS. Unter dem Strich ist dadurch mit einer Erholung der Weltwirtschaft in Form eines mathematischen Wurzelzeichens zu rechnen – vom Tiefpunkt kann es rasch aufwärts gehen, dann dürfte aber eine Abflachung auf dem Weg zum gewohnten Wachstumspfad vor der Krise führen.

Dividenden und Gewinne treiben den Aktienertrag

Was bedeutet das für die langfristigen Aussichten der Aktienmärkte? Nach dem ersten Pandemie-Schock, der dem US-Marktbarometer S&P 500 einen drastischen Absturz bescherte und auch den deutschen Standardwerteindex Dax innerhalb nur einer Woche um 12 Prozent fallen ließ, befinden sich die meisten Indizes nun wieder auf oder knapp unterhalb ihrer alten Höchststände vor der Viruskrise.

Das DWS-Team geht davon aus, dass sich die Dividendenkraft der meisten Unternehmen über einen Zeitraum von fünf Jahren nach dem Corona-Schock im Frühjahr 2020 wieder normalisieren wird – so wie es nach 2008/09 geschah. Wieder steigende Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufe dürften demnach über die kommende Dekade den kräftigsten Renditetreiber bei Aktien stellen, gefolgt von der realen Gewinnentwicklung der Unternehmen und den, aus beiden Faktoren resultierenden Kursanstiegen. Alles in allem errechnen die DWS-Experten damit für die kommenden zehn Jahre eine erwartete durchschnittliche Rendite von 5,5 Prozent pro Jahr für US-Aktien, 4,6 Prozent für Europäische Werte und 5,9 Prozent für Schwellenländeraktien. Für Deutschland lautet die Vorhersage 4,0 Prozent pro Jahr.

Noch niedrigere Anleihezinsen prägen die nächste Dekade[1]

Bei Anleihen wirken sich die durch die Corona-Hilfen massiv gestiegenen Haushaltsausgaben aber auch die enormen Anleihekäufe der Zentralbanken auf die Zehnjahresperspektive aus. Beides sorgt für zusätzliche Nachfrage an den festverzinslichen Märkten, was die Renditen in der Akutphase des Lockdowns weiter abbröckeln ließ und auch auf einen Horizont bis 2030 die Ertragsaussichten weiter dämpfen dürfte. „Für Investoren etwa in US-Staatsanleihen heißt es für die nächste Dekade vermutlich: niedrige nominal und reale Verzinsungen“, urteilen die DWS-Experten. Auch die Minusrenditen einiger „sicherer Häfen“, etwa von Bundesanleihen, dürften demnach noch lange bestehen.

Selbst bei Firmenanleihen sind die Verzinsungen durch Corona unter Druck gekommen und parallel stieg, bedingt durch das aggressive Herunterfahren der Wirtschaft, das Insolvenzrisiko und damit die Wahrscheinlichkeit für ausfallende Firmenschuldpapiere. Die Ertragstabelle der DWS sieht bei den einzelnen Anleihensegmenten auch entsprechend ernüchternd aus. Bis 2030, so schätzt das DWS-Team, dürften US-Staatsanleihen lediglich 0,7 Prozent pro Jahr abwerfen während Staatspapiere in Europa, darunter auch deutsche Bundesanleihen, im Schnitt sogar mit minus 0,2 Prozent rentieren dürften. Einzig die wesentlich riskanteren Staatsbonds aus Schwellenländern könnten laut der Prognose um die 5,6 Prozent Rendite pro Jahr bieten.

Infrastrukturanlagen profitieren von stabilen Einnahmen[1]

Interessantere Perspektiven ergeben sich bei der langfristigen Renditeabschätzung der DWS dagegen bei alternativen Anlagen, etwa bei Investitionen in Fonds, die in Infrastrukturprojekte wie Telefonnetze, Straßen oder Staudämme investieren oder bei börsennotierten Immobilienfonds, auch REITS genannt. Diesen Anlagen kommt entgegen, dass etwa die Geschäftsmodelle von Infrastrukturbetreibern häufig krisenfeste Einnahmen abwerfen, was sich stabilisierend auf die Börsenbewertungen auswirkt. In der Analyse der DWS bis 2030 schneiden etwa globale Infrastrukturinvestments mit einer geschätzten jährlichen Gesamtrendite von 6,2 Prozent pro Jahr ab. Rund die Hälfte dieses Ertrags stammt demnach aus den Einnahmen der Unternehmen, während deren Wachstum laut DWS-Analyse der zweitwichtigste Treiber ist.

Zusammenfassend gilt: Aktien oder entsprechende Fonds bieten auch auf einen Horizont von zehn Jahren vergleichsweise lohnende Anlagechancen. Das auch schon vor der Coronakrise maue Renditeprofil vieler Anleihen hat sich nochmal verschlechtert. Ein gutes Rendite-Risiko-Profil scheinen derweil Infrastruktur- und börsennotierte Immobilienfonds zu bieten.

Anleihen sind überwiegend die Verlierer bei den langfristigen Renditeaussichten.

Corona macht Infrastruktur und REITS zum Renditefavoriten[2]

Lokale Währung

Prognose

S&P 500 (US-Aktien)

5,5%

MSCI Europe (europäische Aktien)

4,6%

MSCI Emerging Markets (Schwellenländeraktien)

5,9%

MSCI All Countries World Index (Aktien global)

5,1%

US-Staatsanleihen

0,7%

US-Unternehmensanleihen

1,6%

US-Hochzinsanleihen

4,5%

Staatsanleihen aus Schwellenländern

5,6%

REITs aus Industriestaaten (börsennotierte Immobilienfonds)

6,5%

Infrastruktur global

6,2%

Erwartete jährliche Rendite bis 2030 in lokaler Währung: Infrastrukturinvestments und REITS zählen zu den aussichtsreichsten Anlageklassen beim Langfristausblick der DWS vom August 2020. Aktien erscheinen ebenfalls attraktiv. Die Verlierer im Renditevergleich könnten Anleihen sein. Quelle: DWS Investment GmbH, Stand: 30.07.2020 

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1. Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Prognosen basieren auf Annahmen, Schätzungen, Ansichten und hypothetischen Modellen oder Analysen, die sich als nicht zutreffend oder nicht korrekt herausstellen können.

2. Die Risiken für REITs und Infrastruktur liegen in Dividendenkürzungen, aber auf kurzer Sicht und auf einer eher strukturellen Basis als Folge von Covid-19 und damit zusammenhängenden grundlegende Unternehmensfragen.

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