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- Green Bonds: Vom Nischen- zum Kernfinanzierungsmarkt
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Herr Birkhäuser, was genau sind grüne Anleihen – und was unterscheidet sie von ihren traditionellen Pendants?
Grüne Anleihen sind im Prinzip ganz normale Anleihen, bei denen sich der Anleihe-Emittent Kapital leiht und für die Laufzeit einen festgelegten Zinssatz zahlt. Der Hauptunterschied zu nicht-grünen Anleihen liegt in der Verwendung der Emissionserlöse. Sie werden ausschließlich zur vollständigen oder anteiligen Finanzierung von geeigneten grünen Projekten verwendet, die einen positiven Umweltnutzen schaffen.
Um welche Art von Projekten handelt es sich dabei klassischerweise?
Die häufigsten Themen sind Energiewende und Energieeinsparung, also zum Beispiel Windkraftanlagen oder auch Solarparks. Häufig werden aber auch Gebäudesanierungen oder energieeffiziente Neubauten finanziert. Green Bonds können auch für die Elektroautofertigung genutzt werden, also in einem Bereich, in dem derzeit viel in Forschung- und Entwicklung investiert wird. Finanziert werden so zum Beispiel Fabriken, in denen Elektroautos produziert werden.
Wer emittiert in der Regel Green Bonds?
Emittenten können zum Beispiel Unternehmen, Staaten oder auch Banken sein. Bei den Unternehmen sind insbesondere die Versorger sehr aktiv. Das sind zum einen Netzbetreiber und zum anderen Energieproduzenten aus den Bereichen Solarenergie, Windenergie und Wasserenergie. Auch Banken, die hier quasi als Intermediär auftreten, sind stark vertreten. Ebenso wie Immobilienunternehmen, die mit den Green Bonds meist energieeffiziente Gebäude finanzieren.
Green-Bond-Anteil bei Neuemissionen mittlerweile bei 1/3
Bei den Anleihe-Neuemissionen liegt der Green-Bond-Anteil mittlerweile bei rund 30 Prozent. Von einer Nische kann da wohl kaum mehr die Rede sein...
Richtig. Bereits 11 Prozent der Unternehmensanleihen sind heute grün, 2019 waren es lediglich drei Prozent. Die Zahlen machen deutlich, dass sich der Green-Bond-Markt innerhalb weniger Jahre vom Nischenmarkt zum absoluten Kernfinanzierungsmarkt gewandelt hat. Heute gilt: Wenn ein Unternehmen in der Lage ist, Green Bonds zu begeben, dann begibt es in der Regel auch Green Bonds.
Warum geben mittlerweile so viele Unternehmen grünen Anleihen den Vorzug vor traditionellen Anleihen? Spielen hier neben Nachhaltigkeitsüberlegungen auch Kosten eine Rolle?
Die Unternehmen sparen nicht viel Geld mit den Kupons. Das so genannte Greenium – also die Prämie, die ein Emittent einsparen kann, wenn er einen Green Bonds begibt – ist minimal bis statistisch nicht nachweisbar und damit auch für die Unternehmensfinanzierung zu vernachlässigen[2].
Was ist dann der Grund?
Investoren bevorzugen mittlerweile bei gleicher Bewertung oftmals die grüne Variante, was meist regulatorische Gründe hat. Wir haben insbesondere in schwächeren Marktphasen beobachten können, dass grüne Anleihen vergleichsweise leichter platziert werden konnten.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Im vergangenen Sommer kam zeitgleich mit einer traditionellen Anleihe eines etablierten deutschen Energieversorgers, der im Bereich Kohle aktiv ist, eine grüne Anleihe eines weit weniger bekannten spanischen Solarparkbetreibers auf den Markt. Das eigentlich schlechtere Unternehmen, weniger bekannt und weniger groß, konnte seine Anleihe jedoch leichter platzieren, was mit der Eigenschaft als grüne Anleihe zusammenhängen dürfte.
Warum ist jetzt ein guter Zeitpunkt für Anleger, sich mit grünen Unternehmensanleihen zu beschäftigen?
Wir befinden uns derzeit insgesamt in einem guten Marktumfeld für Zinsanlagen. Euro-Unternehmensanleihen guter Bonität, die so genannte Investment-Grade-Anleihen, gehören im globalen Universum von Staats- und Unternehmensanleihen aktuell zu unseren Favoriten – so auch grüne Unternehmensanleihen.
Was stimmt Sie speziell für die Corporate Green Bonds optimistisch?
Die Rendite im Gesamtuniversum für europäische Corporate Green Bonds guter Bonität liegt derzeit bei 3,6 Prozent. Das ist zwar bekanntlich keine Garantie für die Zukunft, aber aktuell ein attraktiver Ertrag, der durchaus mit Dividendenrenditen von Aktien mithalten kann. Wir gehen davon aus, dass insbesondere der politische Rückenwind durch den EU Green Deal den breiten Markt weiterhin unterstützen dürfte.
Apropos EU Green Deal: Sind Green Bonds ein europäisches Thema?
In erster Linie schon. Da die Regulatorik bereits etabliert ist, dürfte es in Europa auch langfristig ein Thema bleiben. Dagegen sehen wir kaum Green Bonds von US-amerikanischen Unternehmen. In den USA gibt es derzeit keine regulatorische Unterstützung für Green Bonds.
Sind neben den Investment-Grade Anleihen auch High-Yield-Papiere einen Blick wert?
Als Beimischung, ja. Aufgrund des höheren Risikos sind sie jedoch nicht als Basis für ein ausgewogenes Green-Bond-Portfolio geeignet.
Worin unterscheiden sie sich noch?
Hochzinsanleihen gelten am Green-Bond-Markt noch als Nische. 2023 gab es zum Beispiel 77 Milliarden Euro an Investment-Grade-Neuemissionen und lediglich 13 Milliarden High-Yield-Emissionen. Die meist kleineren Emittenten im High-Yield-Bereich tun sich oft noch schwer, ausreichend grüne Projekte abzugrenzen und ihre Reportings auf Standards zu bringen, die für die Emission von Green Bonds zwingend notwendig sind.
Gibt es Marktphasen in denen Green Bonds gegenüber klassischen Unternehmensanleihen Renditevorteile bieten können?
Green Bonds bewegen sich wie gesagt renditemäßig sehr nah am Gesamtmarkt und stehen damit genau wie klassische Bonds im Spannungsfeld von Zinsen, Inflation sowie makroökonomischen und regulatorischen Entwicklungen. Eine Renditedifferenz kann jedoch durch sekundäre Effekte entstehen.
Was ist damit gemeint?
Dass die Wertentwicklung weniger vom Status des Green Bonds an sich abhängt, sondern von der Zusammenstellung der Sektoren. Eine Sektorstärke von Banken dürfte sich bei den Green Bonds durch den höheren Anteil an Bankanleihen im Vergleich zum Gesamtmarkt beispielsweise positiv auswirken. Auch in Zeiten sinkender Zinsen dürfte der Green-Bond-Markt vergleichsweise besser performen, da die Quote zinsabhängiger Branchen insgesamt höher ist und insbesondere der Immobiliensektor stärker vertreten ist.
Wann könnte es bei den Green Bonds vergleichsweise schlechter laufen?
Etwa dann, wenn der Ölpreis massiv steigt, da im Öl-Sektor keine Greenbonds emittiert werden.
Wie sieht es in puncto Risiko aus? Gibt es hier Unterschiede zwischen grünen und nicht-grünen Anleihen?
Abweichungen können sich durch unterschiedliche Laufzeiten ergeben, die bei den Green Bonds im Durchschnitt etwas kürzer sind, aber auch durch den bereits erwähnten abweichenden Sektorfokus. Wenn es um die Rückzahlung der Anleihe bei Endfälligkeit geht, sind die Risiken jedoch grundsätzlich identisch, da die Finanzierung jeweils auf Unternehmensebene erfolgt und nicht auf Projektebene. Es gilt das so genannte Pari-Passu-Prinzip, nach dem Green Bonds gleichrangig mit Non-Green-Bonds sind.
Breite Streuung empfehlenswert
Kommen wir zur Praxis: Wie gehen Sie bei der Auswahl von grünen Unternehmensanleihen vor?
Schritt eins ist die fundamentale Analyse. Wir wollen sichergehen, dass die infrage kommenden Unternehmen in der Lage sind, ihre Schulden bis zum Ende der Laufzeit zu bedienen. Corporate Green Bonds sind ja nichts anderes als Unternehmensschulden. In Schritt zwei schauen wir uns dann die Green-Bond-spezifischen Faktoren an – sprich, ob das jeweilige Unternehmen anerkannte Kriterien wie die der International Capital Market Association, kurz ICMA[3], für Green Bonds erfüllt, ob es sich bei den Projekten tatsächlich um geeignete grüne Projekte handelt, ob der Emittent diese ordentlich auswählt und abgrenzt und ob es ein aussagekräftiges Reporting zu den Green Bonds gibt.
Was raten Sie Anlegern, die in Corporate Green Bonds investieren wollen? Viele Anleihen haben ja eine Mindeststückelung von 100 000 Euro…
Wie bei anderen Anlageklassen, sollte auch bei Green Bonds unbedingt eine Risikodiversifizierung stattfinden. Es ist wichtig, ausreichend Emittenten im Portfolio zu haben, um nicht durch einen Ausfall innerhalb des Portfolios oder durch eine Ratingherabstufung plötzlich vor einem größeren finanziellen Problem zu stehen. Ein breit aufgestelltes Produkt wie zum Beispiel ein aktiv gemanagter Anleihefonds, der breit über verschiedene grüne Unternehmensanleihen streut und bei dem bereits ein Einstieg mit kleineren Anlagebeträgen möglich ist, könnte daher eine gute Möglichkeit sein.
Risiken
- Kursverluste bei Renditeanstieg auf dem Rentenmarkt: Steigen die Zinsen bzw. die Renditen auf dem Rentenmarkt, weisen neu ausgegebene Anleihen eine höhere Verzinsung auf als im Umlauf befindliche. Folglich fällt bei den umlaufenden Anleihen der Kurs. Beim Verkauf solcher Anleihen vor deren Fälligkeit können somit Kursverluste entstehen.
- Kursverluste bei Erhöhung der Renditeaufschläge bei höher verzinslichen Wertpapieren: Wegen des als höher eingeschätzten Ausfallrisikos weisen Rentenpapiere wie Unternehmensanleihen und Staatsanleihen aus Schwellenländern in der Regel eine höhere Verzinsung auf als z.B. als sicher eingeschätzte deutsche Staatsanleihen. Je höher das (geschätzte) Risiko, desto höher die Verzinsung bzw. der Renditeaufschlag. Wird das Risiko von den Marktteilnehmern als höher bewertet, steigt die Verzinsung bzw. der Renditeaufschlag bei neu ausgegebenen Anleihen. In der Folge können bei den umlaufenden Anleihen im Falle des Verkaufs vor Fälligkeit Kursverluste entstehen.
- Emittentenbonitäts- und -ausfallrisiko. Darunter versteht man allgemein die Gefahr der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, d.h. eine mögliche vorübergehende oder endgültige Unfähigkeit zur termingerechten Erfüllung von Zins- und/oder Tilgungsverpflichtungen.
Chancen
- Stetiger Zinsertrag
- Kursgewinne bei Renditerückgang auf dem Rentenmarkt: Fallen die Zinsen bzw. die Renditen auf dem Rentenmarkt, weisen neu ausgegebene Anleihen eine niedrigere Verzinsung auf als im Umlauf befindliche. Folglich steigt bei den umlaufenden Anleihen der Kurs. Beim Verkauf solcher Anleihen vor deren Fälligkeit können somit Kursgewinne realisiert werden.
- Kursgewinne bei Rückgang der Renditeaufschläge bei höher verzinslichen Wertpapieren: Wegen des als höher eingeschätzten Ausfallrisikos weisen Rentenpapiere wie Unternehmensanleihen und Staatsanleihen aus Schwellenländern in der Regel eine höhere Verzinsung auf als z.B. als sicher eingeschätzte deutsche Staatsanleihen. Je höher das (geschätzte) Risiko, desto höher die Verzinsung bzw. der Renditeaufschlag. Wird das Risiko von den Marktteilnehmern als niedriger bewertet, sinkt die Verzinsung bzw. der Renditeaufschlag bei neu ausgegebenen Anleihen. In der Folge können bei den umlaufenden Anleihen im Falle des Verkaufs vor Fälligkeit Kursgewinne realisiert werden.